Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder,
am 20. Juni ist Weltflüchtlingstag. 2001 wurde er von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Wir wissen, es ist nicht nur ein Tag. Weltflüchtlingstag ist an jedem Tag.
Seit Jahrhunderten sind Menschen unterwegs, fliehen aus Ihrer Heimat. Laut dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) sind aktuell mehr als 108 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, Männer, Frauen und Kinder. Es sind stets die abstrakten Zahlen der Fluchtbewegungen, die die individuellen menschlichen Schicksale, die einzelnen Lebensgeschichten unsichtbar zu machen scheinen. Hinter der unwirklichen Zahl von 108 Millionen sehe ich meine eigene Mutter, die als 12-jähriges Mädchen aus Pommern nach Westen geflohen ist und schließlich in Nordfriesland eine neue Heimat fand. Einen ersten Halt gab ihr die Dorfkirche, gleich neben dem Haus, in das sie einquartiert wurden. Dort stand sie vor dem Altar und sah die Decke, über und über mit glänzend-goldenen Sternen auf dunklem Blau. In einer stillen, friedlichen Kirche die Lichter der Nacht. „Da“, so sagte sie, „da habe ich gedacht, es könnte wieder gut werden.“
Dokumentationsstätten wie die Gnadenkirche Tidofeld im ostfriesischen Norden, einer unserer acht landeskirchlichen Friedensorte, machen eindringlich bewusst, wie alt und zugleich aktuell das Thema Flucht und Vertreibung ist. Sie erinnern uns in Zeiten des Überflusses an den Wert von Sicherheit und Frieden.
So entstand die Idee zu diesem nun für Sie vorliegenden landeskirchlichen Andachtsangebot anlässlich des Weltflüchtlingstags. Wir haben für Sie theologische Bausteine zusammengestellt, die Sie in einer Andacht am 20. Juni oder in einem Gottesdienst am darauffolgenden Sonntag nutzen können, um auf die Situation von Menschen aufmerksam zu machen, die sich gegenwärtig auf der Flucht befinden oder als Geflüchtete zu uns gekommen sind. Ihrem Erleben dürfen wir uns nicht verschließen.
Ihr
Ralf Meister